Dem 2023 verstorbenen Witebsker Künstler Wladimir Wolnow wird anlässlich seines 85. Geburtstags, den der Künstler leider nicht mehr erleben durfte, eine kleine künstlerische Rückschau gewidmet. (15.12.-31.1.2025)
Vernissage: So., 15.12.2024, 15 Uhr, Foyer des Nienburger Theaters.
Viele Jahre lang, von den Neunziger-Jahren bis 2010, war er eine oft im Stadtbild gesehene Persönlichkeit: der belarussische Maler Wladimir Wolnow aus Witebsk, Belarus. Auf einem gebrauchten Fahrrad, einer Leihgabe der Stadt, erkundete er Nienburg, die Wege entlang des Flusses, die Felder, Wiesen und Wäldchen der Umgebung, traf Menschen, knüpfte kulturelle Netzwerke, gewann Freundschaften. Und malte unermüdlich. Zahlreiche Ausstellungen machten ihn bekannt, nicht nur an der Weser, sondern in vielen anderen Städten. Eine Vielzahl von Werken schenkte er der Stadt Nienburg, und nicht wenige Wohnungen der Weserstadt schmücken seine Arbeiten, darunter auch einige Portraits, die er für geringes Salair anbot.
Zwischen magischem Realismus und neuer Sachlichkeit bewegte sich Wolnows Malerei, mit Anklängen an Chagall, Feininger und anderen Meistern der klassischen Moderne. Während der fast jährlichen Aufenthalte in Nienburg habe er seine produktivste Zeit, bekräftigte der Maler immer wieder. Das mag nicht zuletzt den guten Arbeitsbedingungen gedankt gewesen sein, die ihm Witebsks Partnerstadt an der Weser bot. Vor allem aber auch der Ruhe und Stabilität eines alltäglichen Künstlerlebens, die er hier fand, weit weg von den politischen Kämpfen und auch kunstpolitischen Auseinandersetzungen seiner Heimatstadt.
Wladimir Wolnow liebte Nienburg, und nicht nur, weil die Stadt ihm eine großzügige Gastgeberin war. Er sagte von sich und seiner künstlerischen Arbeit: "Ich bin immer auf der Suche nach Harmonie. Wer sie sucht, kann sie finden, besonders in dieser schönen Stadt am Fluss. Die Menschen sind arbeitsam und freundlich, die Straßen und Häuser einladend, ringsum viel Grün, hier herrscht Frieden." Ob es immer noch so ist, ob es je so war, sei dahingestellt. Wladimir Wolnow hat es jedenfalls so empfunden.
Als ersten Beitrag zu Nienburgs Stadtjubiläum 2025 zeigen der Arbeitskreis Gegenken der Stadt Nienburg/Weser und das Theater auf dem Hornwerk eine kleine Retrospektive auf die Kunst Wladimir Wolnows. Die Ausstellung im Foyer des Theaters wird am 15. 12. 2024 um 15 Uhr eröffnet, eine Einführung gibt Thomas Gatter. Die Bilder sind Teil der städtischen Kunstsammlung, die im hiesigen Stadtarchiv verwahrt wird. Die Ausstellung ist bis zum 31. Januar 2025 zu sehen.
Eine Kunstausstellung des Arbeitskreis Gedenken und der Stadt Nienburg. Mit freundlicher Unterstützung der Sparkasse Nienburg
Foto: Wladimir Wolnow mit Werken im Theater auf dem Hornwerk, November 2005 (Foto Stadt Nienburg)Wladimir Wolnow mit Werken im Theater auf dem Hornwerk, November 2005 (Foto Stadt Nienburg)
Ein Nachruf, von Frank Thomas Gatter
Wie wir erst jetzt erfahren, starb am 18. Dezember 2023 nach langer schwerer Krankheit der bekannte belorussische Maler Wladimir Nikolajewitsch Wolnow.
Sowohl als Mensch als auch als Künstler war Wolnow der Stadt Nienburg eng verbunden. Seit den Neunziger-Jahren des vergangenen Jahrhunderts und bis 2011 kam der Maler aus Nienburgs Partnerstadt Witebsk regelmäßig nach Nienburg, um hier – in der Ruhe und Harmonie der Weserstadt, wie er selbst einmal sagte – seinem künstlerischen Schaffen nachzugehen. Im Umkreis der Nienburger Witebsk-Freunde war diese enge Verbindung Wolnows mit der Stadt an der Weser entstanden. 1992 hatte das Nienburger Ehepaar Mariele und Wolfgang Pfuhl ihn in Witebsk kennengelernt und ihn zu seinem ersten Besuch nach Nienburg eingeladen. In den Folgejahren war es zumeist die Stadt, die den Maler einlud, wobei er für seinen Unterhalt weitestgehend selbst aufkam und lediglich Atelierräume gestellt wurden, mehrfach großzügig von der GBN.
Witebsk ist nicht nur Kunstzentrum von Belarus, sondern auch die Geburtsstadt Marc Chagalls, und so nimmt es nicht Wunder, dass dessen Werk Wladimir Wolnow prägte. Zudem gehörte er dem Künstlerkreis der Metropole der belorussisch-russischen Kunst mit über einhundert Grafikern, Malern und Bildhauern an, der sich ausdrücklich in die Chagallsche Kunsttradition stellt. Eine vor allem gegenständliche Malerei, die dabei in Sujets und Bildaufbau der Fantasie großen Raum lässt, dominiert auch in Wolnows Werk.
Wladimir Wolnows genaues Geburtsdatum ist nicht bekannt. Um 1940 geboren, wurde er als etwa vierjähriges Kind am 10. Juni 1944 mitten in den Kämpfen um die Befreiung Witebsks aus deutscher Besetzung von einem Rotarmisten im Schützengraben gefunden. Das Datum seiner Rettung wurde zum offiziellen Geburtstag des kleinen Wladimir. Der Soldat brachte das Kind in ein Kloster, in dessen Kinderheim es aufgezogen wurde. Dieser geheimnisumwobene Beginn von Wolnows Biographie bestimmte neben den Einflüssen der russischen Avantgarde um Chagall sein Werk, in dem Mystik und Hintergründiges eine große Rolle spielen. Seinen Vater fand der Junge erst im Alter von 21 Jahren, die Mutter blieb unbekannt. So wurde auch das Motiv der Mutter prägend für seine Kunst, wie seine umfangreiche Sammlung von antiken Gegenständen des bäuerlichen Haushalts bezeugte, aber auch die tief berührende Installation Kopftücher seiner Ausstellung „Wanderung zwischen zwei Städten“ (2008) im Nienburger Rathaus. 2019 wurde die Installation erneut gezeigt: in der monumentalen Werkschau Wolnows in Minsk.
In den verschiedenen Atelier-Räumlichkeiten, die der Künstler in den Jahren seiner Nienburg-Aufenthalte durchwanderte und in denen er arbeitete und wohnte, ging es bescheiden, fast schon ärmlich zu, wird aus dem Nienburger Freundeskreis berichtet. Ein Freund schwärmt heute noch vom „einfachen Leben“, das er in jenen Jahren mit dem genügsamen Maler teilte. „Zum Frühstück gab es russisches Brot und ukrainisches Sonnenblumen-Öl“, erzählt er, „zu Mittag aßen wir in der Regel eine kräftige Suppe, abends teilten wir uns ein dickes Stück weißen Specks, dazu wieder Brot und natürlich einen tschut-tschut, einen ganz kleinen Wodka“. Als gesundheitsbewusster (Lebens-)künstler begann „Wolja“ seinen Arbeitstag früh am Morgen mit Gymnastik – und mit einem Schwall kalten Wassers, den er sich im Garten aus einem Eimer über den Kopf schüttete. Und immer wieder sah man ihn mit einem in die Jahre gekommenen Fahrrad Stadt und Umgebung durchstreifen, auf der Suche nach Motiven und Inspiration.
Mit einer Vielzahl von Ausstellungen hat Wladimir Wolnow das Kunstleben in Nordwestdeutschland bereichert, von Cuxhaven bis Iserlohn. „Realismus und Melancholie“, „Blaue Zeiten“, „Die Stadt ist ein Kristall“ sind nur einige der Ausstellungstitel. Ein Höhepunkt dieser Arbeit war zweifellos die Gemeinschaftsausstellung „Holocaust“ (2005, mit Dieter van Slooten und Lilo Schmidt-Wiedenroth) in und vor dem Theater auf dem Hornwerk. „Durch Ihre Außeninstallation Asche zum Himmel und Ihre Materialkompositionen im Foyer“, schrieb Bürgermeister Brieber damals in einem Dankesbrief, „wurden wir darin bestärkt, unsere Gedenkarbeit fortzuführen, damit aus der Erinnerung immer wieder eine lebendige Zukunft werden kann.“
Nun ist Wladimir Wolnow, 83-jährig, in Witebsk gestorben. Bei seinem Abschied aus Nienburg 2011 schenkte er der Stadt vierzig seiner Gemälde. Aber auch in vielen Nienburger Häusern und Wohnungen künden Wolnows Bilder von seiner kraftvollen künstlerischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Schicksal, den Kunsttraditionen und historischen Entwicklungen seiner Heimat und der rastlosen Suche, wie es einmal jemand schrieb, „nach einem ästhetischen Ausdruck für die Rätsel des Lebens“.
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